Wilhelm Busch
Nun
dann bin ich heute gut dran. Denn meine Kurzgeschichte führt uns an einen
Königshof. Ich will sie kurz erzählen:
In der
Umgebung des Königs Saul sah man seit einiger Zeit einen schönen, sehr jungen Mann. Die
einen blickten hochmütig auf ihn herab: Bah! Ein Bauernjunge! Man riecht ihm ja die
Schafweide an! Was will der hier!
Junge
Krieger aber sahen ihm ehrfürchtig nach, wenn er vorüberging: Das ist der, der den
Riesen Goliath besiegt hat ganz allein ohne Waffen! Ein toller Hecht!
Viel
munkelte man über die seltsame Stellung des Königs zu diesem David: Was hat der für
einen Einfluss! Wenn der König wütend ist, braucht der David nur auf der Harfe zu
klimpern. Dann ist alles gut. Andererseits erzählte man sich davon, dass der
König einen stillen Zorn auf den Jungen hatte. Seltsam !
Da war
nun noch einer am Hofe: der Kronprinz Jonathan. Wie stellte denn der sich zu diesem David?
Da
verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids. Diese Sache ist .es wert,
dass wir sie näher betrachten. Ich sehe im Geist den jungen David, wie er bewegt und froh
aus dem Palast eilt. Sein Herz jubelt: Ich habe ein Herz gefunden!
Die
Psychologie tastet ja den armen Menschen, wie er im Zeitalter der Technik geworden ist,
beständig ab. Und da sagen uns die Psychologen: Der Mensch von heute leidet an
Kontaktschwäche. Es fällt uns so schwer, unser Herz mit einem anderen Herzen
wirklich zu verbinden. Wir haben Bekannte, Verwandte, Beziehungen. Wir haben Kollegen,
Kameraden, Genossen, Nachbarn, gesellschaftlichen Verkehr. Aber das eine, wonach sich alle
sehnen, finden wir nicht: ein Herz, das sich unserm Herzen verbindet.
Es
sitzen junge Brautleute hier. Die denken: O, wir haben das! Wirklich? Wenn ich
die vielen Ehescheidungen und die üblichen Ehen ansehe, dann ja, dann wird mir das
zweifelhaft. Unsre Zeit kennt Erotik, Sexualität, Leidenschaft. Aber ein Herz?!
Wenn es
heißt: Da verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids, handelt es
sich nicht um romantische Schwärmerei, sondern um etwas, was ein jeder sich ersehnt.
Wir
sollten von Jonathan lernen, um mit unsrer Kontaktschwäche fertig zu werden.
Da ist
erstens zu sagen: Die beiden hatten Zeit füreinander. Wie kann eine Freundschaft oder
eine Ehe etwas werden, wenn wir nicht mehr Zeit füreinander haben? Wir haben mit
unendlich vielen Menschen flüchtige Berührung. Aber Zeit haben!
Zweitens
fällt mir auf, wie nachdrücklich hier berichtet wird, dass der Jonathan dem David seine
geliebten Waffen gab. Was bedeutet das? Der Jonathan sagte: Du! Unsre menschlichen Beziehungen werden
nichts, weil wir immer Ich meinen. Erst wenn ich das Du! richtig lerne, finde ich ein Herz.
Und
drittens das ist das Wichtigste : Ein paar Kapitel später heißt es genauer:
Die beiden machten einen Bund miteinander vor
dem Herrn. In ihrer gegenseitigen Beziehung gab es einen wundervollen Kitt: Das
war ihr gemeinsames Glaubensleben. Sie standen beide vor Jehova, dem geoffenbarten Gott.
Ich bin überzeugt, dass nur in solch einer Atmosphäre wirkliche menschliche Beziehungen
gedeihen können. Da nämlich wird das Ich getötet. Und man lernt das
Du.
2) Jesus und unser Herz
Unser
Text erzählt von dem reichen Königssohn, der die Liebe des armen Hirten David sucht. Da
steht das Bild Jesu vor uns auf: Der Sohn des lebendigen Gottes, der um die Liebe des
Schächers, der Zöllner und Sünder wirbt.
Da
verband sich das Herz Jesu mit unserm Herzen. Darum verließ er die Herrlichkeit
beim Vater. Darum hing er am Kreuz. Darum sucht der Auferstandene uns. Deswegen
klopft er für und für / so stark an unsres Herzens Tür.
Und wir
wollen kalt bleiben? Wir wollen unser Herz verschließen? Es ist das unheimliche Geheimnis
in der Welt, dass dies tausendfach geschieht. Wie einst vor dem Petrus am See Genezareth
so steht dieser Königssohn Jesus vor uns und fragt: Hast du mich
lieb?' Das fragte er den Petrus, der ihn dreimal verleugnet hatte. Er fragt es uns,
die wir ihn viel öfter verleugnet und beleidigt haben: Hast du mich lieb? Ich
möchte mein Herz mit dem deinen verbinden.
Christenstand
ist ja wirklich nicht ein kühles Für-wahr-halten von
richtigen Heilswahrheiten. Christenstand ist auch nicht nur ein kümmerliches Erfüllen
kirchlicher Formen. Christenstand ist auch nicht Sympathie für christliche Grundsätze im
öffentlichen Leben.
Christenstand
ist dies, dass mein Herz sich dem Herzen des Sohnes Gottes verbindet, das sich mir ganz
geöffnet hat. Im Lied heißt es (und das ist wahrhaftig nicht Schwärmerei): Ich
will dich lieben, meine Zier
Das ist die wirkliche Erlösung aus der
Einsamkeit, die der Mensch von heute so heiß ersehnt.
Ja,
hinter dem Bild des Jonathan steht das Bild Jesu auf. Ich sehe
Jonathan, wie er sich, Stück für Stück, von seinen herrlichen Waffen trennt, um David
herrlich zu kleiden und zu rüsten. Der Apostel sagt: Er ward arm um unsretwillen,
auf dass wir durch seine Armut reich würden. Er wird zum ausgestoßenen Fluch am
Kreuz, um mir das Gewand seiner Gerechtigkeit vor Gott zu schenken. Er wird wehrlos wie
ein Lamm, damit ich die Waffen bekomme, mit denen ich Satan und der Welt begegnen kann.
Wie tot müsste unser Herz sein, wenn es nicht mitsingen lernte: Ich will dich
lieben, schönstes Licht, / bis mir das Herze bricht.
3) Es stand etwas im Hintergrund
Da
verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids. Wer etwa doch meint, dies sei
eine romantische Jünglingsgeschichte, der soll wissen, dass hinter dieser Szene eine
unheimliche Tragik aufsteigt. David war heimlich vom Propheten Samuel zum König gesalbt.
Jonathan aber war Kronprinz. Also zwei Anwärter auf den Königsthron! Der König Saul
wusste davon und verfolgte schließlich den David grimmig. Und Jonathan verband sein
Herz mit dem Herzen Davids obwohl er wusste: Ich muss sterben, wenn David als
König leben soll. So war der Weg, den Jonathan gehen musste, klar. Und auf dem Gebirge
Gilboa wurde er neben seinem Vater erschlagen. Damit wurde David König in Israel.
Jonathan
muss sterben, wenn David leben soll. Sehen wir nicht, wie hier im Alten Testament das
Kreuz Jesu auftaucht? Der Sohn Gottes muss sterben, damit ich leben kann. Und er ist
gestorben auf dem Berge Golgatha. Alles wirkliche Leben ist uns geschenkt worden
durch den Tod Jesu am Kreuz. Hier finde ich Frieden, Auslöschen meiner Vergangenheit,
Gnade Gottes, Hoffnung des ewigen Lebens.
Der
Spiegel brachte kürzlich ein Bild: Da sitzt Jesus in einer Zechenkantine. Um
ihn hocken die Kumpel und sagen: Verschone uns mit deiner Leidensgeschichte. Wir
haben viel mehr durchgemacht in Bombennächten und hinter Stacheldraht.
So denkt der Mensch. Wie töricht! Unsre Leiden bedeuten für niemand etwas. Jesu Leiden aber bedeutet unser Heil! Jonathan muss sterben, dass David leben kann. Und wir?
Dass
ich möge trostreich prangen, / hast du ohne Trost gehangen.
Quelle: Die Suchaktion Gottes