Aus dem Leben des Johannes
Wesley
Dieser ausgezeichnete Gottesmann, der mit
apostolischem Geist und Eifer für die Verbreitung des Reiches Gottes auf Erden gewirkt
hat, wurde am 07. Juni 1703 zu Epworth in der englischen Landschaft North Lincolnshire
geboren, wo sein Vater Samuel, ein Mann von hoher Gesinnung und mit bedeutenden
Fähigkeiten begabt, das Amt eines Rektors einnahm. Er war das fünfzehnte von neunzehn
Kindern. Auch seine Mutter Susanna, geborene Annesley, war eine geachtete und gebildete
Frau. Diese glücklichen Verhältnisse mußten auf die Erziehung und Bildung des fähigen
Knaben einen vorteilhaften Einfluß haben und ihnen verdankt er es größtenteils, daß er
der Mann geworden ist, der so Bedeutendes bewirkt hat, wenn auch noch manches Andere
später hinzu kam, was dazu mit beigetragen hat. Durch die häusliche Erziehung wurde ein
guter und fester Grund gelegt, auf dem mit Sicherheit und Leichtigkeit fortgebaut werden
konnte und vorzüglich wirkte das musterhafte und erweckliche Beispiel des ehrwürdigen
und geliebten Vaters, das er von seiner frühsten Jugend an immer vor Augen hatte, sehr
vorteilhaft verbunden mit der innigen Liebe und Sorgfalt einer ebenso verständigen als
gottesfürchtigen Mutter. Er wurde
nebst seinen Brüdern vom Vater wie auch der Mutter unterrichtet und bei seinen guten
Fähigkeiten, seiner Lernbegierde und Aufmerksamkeit mit solchem Erfolg, daß er schon als
achtjähriger Knabe mit zum Genuß des heiligen Abendmahles zugelassen wurde. Mit 12
Jahren wurde er einer öffentlichen Schule übergeben, wo er sich ebenfalls durch seinen
Fleiß und seine raschen Fortschritte in allen Fächern des Unterrichts auszeichnete,
sodaß er als 17jähriger Jüngling auf die Universität nach Oxford gehen konnte, wo er
unter seinen Kommilitonen eine sehr ehrenvolle Stellung behauptete. |
Er erwarb sich eine gründliche und
umfassende Kenntnis der alten, klassischen Sprachen und Autoren, und sprach und schrieb
das Lateinische mit großer Reinheit und Eleganz. Mit dem griechischen neuen Testament war
er ebenso vertraut wie mit dem englischen, und die Wahrheit und Aufrichtigkeit war ihm
etwas so Heiliges, daß er nie, bei irgend einer Disputation, auch im Scherz nicht etwas
verteidigen mochte, was er als unwahr und schlecht erkannte, bloß um seine Gewandtheit
und Sprachfertigkeit zu zeigen, an der es ihm wahrlich nicht fehlte. Er war ein
fröhlicher, lebhafter Jüngling mit einer Neigung zu Witz und Humor, und seine klassische
Bildung verlieh seiner Unterhaltung und allen seinen schriftlichen Aufsätzen eine gewisse
Feinheit und Eleganz. Er machte auch Verse, meist Nachahmungen oder Übersetzungen
römischer Dichter, und eine Nachbildung des 65. Psalms war so gelungen, daß er
aufgefordert wurde, sein poetisches Talent weiter auszubilden. Doch so hoch er auch die
Vortrefflichkeit der Alten achtete, und so gern er sich mit ihnen beschäftigte und sie
nachahmte, fand er doch darin nicht volle Befriedigung und konnte sie nicht finden bei
seinem eifrigen Streben nach Wahrheit und bei seiner tief religiösen Gesinnung Auch war
es sein Wunsch, sich dem geistlichen Stand zu widmen, um so mehr, da seine Eltern es
wünschten, und er fühlte die Notwendigkeit, mehr als bisher, sich mit den göttlichen
Dingen und mit der heiligen Schrift zu beschäftigen und größere Aufmerksamkeit auf die
theologischen Vorlesungen zu wenden, die er bisher über den philologischen Studien etwas
vernachlässigt hatte. Dabei unterhielt er immerfort einen lebhaften Briefwechsel mit
seinen Eltern über die wichtigsten Gegenstände die sein Nachdenken beschäftigten,
teilte ihnen seine Bedenklichkeiten mit und fragte sie um Rat. Es war ein großes Glück
für ihn, was man jedem jungen Manne und vornehmlich jedem jungen Theologen wünschen
möchte, daß ihm Gott Eltern geschenkt hatte, bei denen er bei schwierigen und
bedenklichen Fragen Rat und Belehrung finden konnte und die ihn in seinem Streben nach
Wahrheit und Festigkeit unterstützten und ermunterten. Seiner Mutter verdankte er in
dieser Hinsicht vorzüglich viel sie bezeugte ihm ihre lebhafte Freude über die
ernstere Richtung, die sein Geist genommen hatte.
Sein Vater schrieb ihm zu Anfang des Jahres
1725: Du bist gesonnen, dich zu einem geistlichen Amte vorzubereiten das ist
in der Tat ein großes Werk und es freut mich, daß ich sehe, du denkst ebenso. Die
Hauptquelle des Strebens danach und der vornehmste Beweggrund für uns, als Diener der
Kirche, muß die Ehre Gottes sein und die Erbauung des Nächsten."
So glaubte der 23jährige Johannes durch
fortgesetztes eifriges Studium genügend vorbereitet zu sein, um noch in dem angedachten
Jahre mit Zustimmung seiner Eltern sich feierlich zum Diakonus der englischen Kirche
weihen zu lassen. Als ordinierter Geistlicher fühlte sich Wesley um so mehr zur eifrigen
und hauptsächlichen Beschäftigung mit der Theologie aufgefordert, und er richtete seine
Untersuchungen vornehmlich auf die Beweise für die Wahrheit und Vernunftmäßigkeit des
Christentums, wozu ihn besonders die Mutter wiederholt antrieb, indem sie meinte, wenn nur
sein Streben aufrichtig sei, so werde eben dieses ernste Forschen ihn immer mehr von der
Wahrheit des Christentums und der göttlichen Offenbarung überzeugen.
Außerdem bewunderte man auch seinen kritischen
Scharfsinn und seine ungemeine Gewandtheit bei öffentlichen Disputationen. So geschah es,
daß ihm noch in demselben Jahre, wo er zum Studienaufseher ernannt worden war, die
Vorlesungen über griechische Sprache und Literatur an der Universität übertragen
wurden, obgleich er erst 23 Jahr alt war und noch nicht die Magisterwürde erlangt hatte.
Diese wurde ihm bald darauf erteilt. |
So vollkommen er übrigens auch dazu
geeignet war, als öffentlicher Lehrer an der Universität zu wirken; so war doch dies
nicht das Ziel seines Strebens und Lebens ein geistliches Amt und die damit
verbundene Seelsorge hielt er für etwas Höheres und für seinen eigentlichen Beruf. Im
Jahre 1727 wurde er Vikar seines Vaters, jedoch brachte er auch bisweilen einige Zeit in
Oxford zu, um daselbst die Studium einiger jungen Männer zu leiten, unter denen sich auch
ein Bruder von ihm befand. Diese hatten unter seiner Leitung sich zu einer kleinen
Gesellschaft verbunden, und weil sie eine strengere Ordnung und Methode, wie sie den
Statuten der Universität gemäß war, in ihren Studien und ihrer ganzen Lebensweise
befolgten, nannte man sie Methodisten. So ging aus dieser zunächst unbedeutenden
Verbindung einiger weniger ernstgesinnter jungen Studierenden zu Oxford, denen man diesen
Namen gab, später die zwiefache zahlreiche religiöse Gesellschaft hervor, die man als
die Wesleyanischen und calvinistischen Methodisten zu bezeichnen pflegt, und sie steht in
engem Zusammenhang mit der großen religiösen Erweckung, die im vorigen 18. Jahrhundert
in England stattfand.